Es ist so weit. Das 4. Forum „Zukunft der Erinnerung“ findet vom 1. bis 2. Mai in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme statt.
„Bei der Auswahl des Themas des diesjährigen Forums war für uns ein wichtiger Punkt zu zeigen, dass Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Menschen aus den verschiedensten Ländern – aus dem globalen Norden wie auch dem globalen Süden – auf jeweils ganz spezifische Art und Weise betroffen haben und noch heute betreffen“,
erklärt Dr. Susann Lewerenz, eine der Organisator*innen des Forums. Die Erfahrungen der NS-Verfolgten aus außereuropäischen Ländern, insbesondere aus den ehemaligen Kolonien, liegt Frau Dr. Lewerenz besonders am Herzen. Zusammen mit Philipp Bernhard von der Universität Augsburg stellt sie das Kooperationsprojekt „Verflechtungen. Koloniales und rassistisches Denken und Handeln im Nationalsozialismus: Voraussetzungen, Formen, Folgen“ vor. Im Rahmen dieses Projekts, das von der Stiftung „Erinnerung. Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) gefördert wird und an dem neben der KZ-Gedenkstätte Neuengamme die Universität Hamburg und die Universität Augsburg beteiligt sind, werden Materialien für Multiplikator*innen der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit entwickelt.
Während das Projekt von Frau Dr. Lewerenz und Herrn Bernhard sich aus historischer Perspektive mit den Schicksalen von Menschen außereuropäischer Herkunft im Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg befasst, richtet sich der Fokus des von Kathrin Herold und Appolinaire Apetor Koffi (Denkmal Bunker Valentin, Bremen) vorgestellten partizipativen Projekts „Multi-peRSPEKTif“ auf die Erfahrungen und Perspektiven, die Migrant*innen und Geflüchtete heute an diese Geschichte herantragen.
Bevor jemand als Multiplikator*in aktiv werden kann, muss diese Person selbst an das Thema herangeführt und zur Reflektion über die eigenen Positionen angeregt werden. Auf dem diesjährigen Forum werden einige Projekte vorgestellt, die jungen Menschen unterschiedliche Zugänge zum Thema Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg bieten. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme führt zusammen mit Hamburger Schüler*innen das Theaterprojekt „BLICKWECHSEL. Globale Dimensionen des Zweiten Weltkrieges“ durch. Die Jugendlichen verarbeiten in diesem Stück ihre Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg als globalgeschichtliche Ereignisse. Auf dem Forum werden einige der Teilnehmer*innen Einblicke in die Entwicklung ihres Theaterstücks geben. Aufführen werden sie „BLICKWECHSEL“ während der Gedenkfeier am 3. Mai in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.
Inspiriert vom Wunsch, die gemeinsame europäische Erinnerungskultur zu stärken, widmen sich zwei der anderen vorgestellten Projekte den Erfahrungen von jungen Menschen aus unterschiedlichen Ländern. So stellen Frau Gisela Ewe, Mitarbeiterin der Gedenkstättenpädagogik der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, und Herr Daniel Tonn, Mitarbeiter der Gedenkstättenpädagogik der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen, ihre Projekte mit jungen Menschen aus Deutschland und osteuropäischen Ländern vor.
Frau Ewe wird bei ihrer Präsentation des Besuchsprogramms für junge Erwachsene aus Minsk von einigen Teilnehmer*innen begleitet werden. Der Besuch der Minsker Gruppe wurde bewusst auf die Zeit rund um die Veranstaltungen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme anlässlich des Jahrestags des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager geplant, um den jungen Gästen auch einen Einblick in die Gestaltung von Gedenkfeiern in Deutschland zu ermöglichen.
Die Erinnerungskultur in unterschiedlichen Ländern und deren Wahrnehmung vor dem Hintergrund der eigenen Familiengeschichte ist auch Thema des Podiumsgespräch „Erfahrungen in den deutsch besetzten Ländern Europas – Verfolgte, Mitläufer*innen, Kollaborateur*innen, (Mit-)Täter*innen: Perspektiven von Nachkommen“.
„Ich bin sehr froh darüber, dass Frau Yvonne Cossu-Alba, Mitglied des Verbands der französischen Häftlinge des KZ Neuengamme, Frau Urszula Derengowska-Spinkiewicz, Mitglied des Verbands der polnischen Häftlinge des KZ Neuengamme, und Frau Nicole Duijkers, Mitglied im Verband der niederländischen Häftlinge des KZ Neuengamme, sich bereit erklärt haben, über ihre Familiengeschichte zu sprechen und eine Einschätzung des Umgangs ihrer Heimatländer mit der Erinnerung an die Verfolgten sowie den Themen Kollaboration und (Mit-)Täterschaft zu teilen“,
berichtet Swenja Granzow-Rauwald, Moderatorin dieses Gesprächs und Mit-Organisatorin des Forums.
Frau Cossu-Alba und Frau Derengowska-Spinkiewicz waren Kinder, als ihre Väter verhaftet wurden. Beide Väter starben im Konzentrationslager. Seit Jahrzehnten sind sie in den Verbänden, die von Überlebenden des KZ Neuengamme gegründet wurden, aktiv. Sie beobachten genau den Wandel in der Erinnerung an die ehemaligen Häftlinge der Konzentrationslager. Auch Frau Duijkers engagiert sich seit langem im niederländischen Verband. Ihren Großvater, Jan Duijkers, konnte sie jedoch nie kennenlernen. Wie Robert Alba und Jan Derengowski überlebte er die KZ-Haft nicht. Obwohl ihre Tätigkeit im Verband eine Art Erbe ihres Vaters, dem Sohn von Jan Duijkers, ist, hat Frau Duijkers es sich als erste in der Familie zur Aufgabe gemacht, sich mit den Details der Geschichte ihres Großvaters zu befassen. Dass die Geschichte ihres Großvaters viele Facetten hat – darunter auch einige schwierige -, so viel weiß sie jetzt schon. Umso mehr interessiert sie, wie die niederländische Gesellschaft damit umgeht, dass es auch gilt, an die Schattenseiten zu erinnern.
Dass der kritische Blick auf die Erinnerung an Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg auch durch Vergleiche mit dem Umgang mit den Verbrechen anderer Diktaturen geschult wird, verdeutlicht das Podiumsgespräch mit dem Titel „Umgang mit Gewalterfahrungen in anderen Diktaturen – Unterschiede und Gemeinsamkeiten“. Die drei Diskutant*innen verbindet die Auseinandersetzung mit dem Völkermord in Ruanda. Während Dr. Gerd Hankel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und assoziierter Wissenschaftler am Hamburger Institut für Sozialforschung, sich auf die strafrechtliche Verfolgung des Genozids konzentriert, hat Frau Stanislawa Jevic, Dramaturgin am Hamburger Schauspielhaus, mit dem Stück „Lügen“ eine künstlerische Annäherung an das Thema gewählt.
Jordi Palou-Loverdos, Hauptverantwortlicher für das Projekt „Audiencias Memoriales“ in Katalonien, war maßgeblich an der Vorbereitung unf Durchführung des IntraRuanda-Dialogs beteiligt. Seine Erfahrungen mit den Wahrheits-und Versöhnungskommissionen beeinflusst auch seine Herangehensweise an die Organisation der Audiencias Memoriales in Katalonien, die Nachkommen von Täter*innen und Opfern der Franco-Diktatur in Spanien zusammenbringt.
Das ausführliche Programm können Sie hier herunterladen: Programm des Forums Zukunft der Erinnerung 2018
Eine verbindliche Anmeldung ist erforderlich. Für die Verpflegung wird ein Teilnahmebeitrag in Höhe von 60,- Euro/30,- Euro ermäßigt erhoben.
Interessent*innen wenden sich bitte an: Sophia Annweiler, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Studienzentrum, Tel.: +49 (0)40 428 131 543, Email: Studienzentrum@bkm.hamburg.de
Veranstaltungsort: KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg 75, 21039