Tolle Neuigkeiten! Das Studio Experimentelles Design aus Studierenden der Hochschule für Bildende Künste Hamburg (HfBK) hat nun einen finalen Entwurf vorgelegt, wie unser „Ort der Verbundenheit“ aussehen könnte.
Seit vielen Jahren wünschen wir uns in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme eine geeignete Möglichkeit für Angehörige aus möglichst vielen Ländern, ihr im KZ Neuengamme inhaftiertes Familienmitglied namentlich zu ehren und ihre persönliche Verbundenheit mit ihm am historischen Ort seines Leidens zum Ausdruck zu bringen.
Wir, das sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Ort der Verbundenheit“. Unsere Gruppe besteht aus Angehörigen ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme und weiteren Personen, die sich aktiv für unsere Idee einsetzen. Dazu gehören auch Mitglieder des Freundeskreises der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e. V.
Studierende entwerfen den Ort der Verbundenheit
Im Mai 2018 haben uns Studierende der HfBK ihre Unterstützung zugesagt, um einen „Ort der Verbundenheit“ zu entwickeln. Es folgten 18 Monate intensiver Zusammenarbeit. Die Studierenden haben sich Zeit genommen, uns zuzuhören, unsere Geschichten kennenzulernen und zu verstehen, was die NS-Verfolgung eines Familienmitglieds für deren Kinder und Enkel bedeutet. Sie haben sich eingehend mit der Geschichte des KZ Neuengamme und dem Gelände der KZ-Gedenkstätte beschäftigt. Und sie haben eine Fülle an Ideen entwickelt, wie unser „Ort der Verbundenheit“ aussehen könnte.
Im Zentrum ihrer – mit uns heiß diskutierten – Vorschläge stand die Grundüberlegung, dass Gedenken und Erinnerung aktive Prozesse sind, die immer weitergetragen werden oder weitergetragen werden sollten.
Entsprechend entwickelten sie statt eines großen Monuments nun die Idee eines aktiven Umgangs mit der Erinnerung in Form einer „Werkstatt“. Auch dazu gab es viele Entwürfe. Am besten gefiel uns ihre Idee, den „Ort der Verbundenheit“ als Druckwerkstatt zu realisieren.
Die Angehörigen haben das Wort
Über eine Website können Angehörige von Häftlingen des KZ Neuengamme aus aller Welt Plakate zur Erinnerung an ihre verfolgten Familienmitglieder gestalten – unabhängig davon, ob diese Menschen dort nur für eine kurze Zeit oder über mehrere Jahre inhaftiert waren, ob sie die Haft überlebt haben oder im KZ ihr Leben lassen mussten.
Diese Plakate können frei gestaltet werden, mit Fotos, Zeichnungen, Zitaten, biographischen Angaben, Briefen an die Verfolgten – kurzum mit allem, was dem gestaltenden Familienmitglied aus dem Herzen spricht. Hier haben die Angehörigen das Wort!
Aus den Plakatentwürfen werden dann etwa zweimal im Jahr von einer Firma mit Lasertechnik Druckplatten angefertigt. Diese Druckplatten werden auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte in frei einsehbaren Regalen so präsentiert, dass der Name des Häftlings, an den erinnert wird, gut zu lesen ist.
Die Erinnerung in die Welt tragen
Der eigentliche, auf der Druckplatte spiegelverkehrt erscheinende Text wird erst lesbar, wenn aus den Druckstöcken Plakate gefertigt werden. Diese können von den Angehörigen selbst gedruckt werden, zusätzlich auf Wunsch der Angehörigen aber auch – so die Idee der Studierenden – von Besucherinnen und Besuchern der KZ-Gedenkstätte, eventuell im Rahmen pädagogischer Projekte. Die Drucke können entweder mit nach Hause genommen und an die Familie verteilt oder auch an anderen Orten plakatiert werden, so dass die Erinnerung an die Häftlinge in die Welt getragen werden kann.
Zur Präsentation der gedruckten Plakate stehen auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Plakatwände bereit. Zusätzlich sollen die Drucke online in Form eines digitalen Archivs präsentiert werden und so weltweit einsehbar sein.
Der Ort der Verbundenheit als Ensemble
Einen Raum findet die Druckwerkstatt im Plattenhaus neben dem Klinkerwerk des ehemaligen KZ Neuengamme.
Für den „Ort der Verbundenheit“ wird das Plattenhaus umgestaltet und mit einer Druckerpresse ausgestattet. In einem Regal auf dem Weg zum Plattenhaus können die in einem Regal im Außengelände archivierten Druckplatten eingesehen werden. Sie sind mit den Namen der KZ-Häftlinge beschriftetet, denen sie gewidmet sind. Am Fußweg zwischen Klinkerwerk und Plattenhaus werden Plakate von Angehörigen an Plakatwänden gezeigt. Sie sind der Witterung ausgesetzt und zeigen deutlich, dass Erinnerung vergeht. Die in Sichtweite positionierten Druckplatten bieten demgegenüber eine dauerhafte Form der Erinnerung. Diese wird aber erst durch den Druckprozess sicht- und lesbar. Insofern bilden die Druckplatten zugleich eine Einladung, aktiv zu werden und die Erinnerung durch einen Neudruck von Plakaten beständig wachzuhalten.
Wichtiger Erfolg des Entwurfs
Im August 2019 haben die Studierenden der HfBK der Kunstkommission der Behörde für Kultur und Medien ihren Entwurf schriftlich präsentiert. Das Expertengremium wählte den Entwurf für eine Förderung durch das Programm „Kunst im öffentlichen Raum“ aus. Das Projekt wird aus diesem Programm eine Anschubfinanzierung von 17.300 Euro für die Entwicklung und Realisierung des „Ortes der Verbundenheit“ erhalten. Weitere Mittel werden von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bereitgestellt.
Die nächsten Schritte
Im November tagt die Amicale Internationale KZ Neuengamme (AIN) in Hamburg. Wie schon vor einem Jahr geben uns die in dem Dachverband organisierten Verbände und Arbeitsgemeinschaften der Überlebenden und ihrer Angehörigen aus verschiedenen Ländern wieder die Gelegenheit, den Entwicklungsstand des „Ortes der Verbundenheit“ vorzustellen, gemeinsam zu diskutieren und ihre Stellungnahmen einzubeziehen.
Stimmt der internationale Verband nun dem finalen Entwurf zu, dann geht es an die Realisierung. Der „Ort der Verbundenheit“ soll dann zum 75. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager im Zusammenhang mit einer internationalen Gedenkveranstaltung auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Anfang Mai 2020 eröffnet werden.
Schon mehr als 50 Angehörige von Häftlingen des KZ Neuengamme aus vielen Ländern haben uns signalisiert, dass sie gern ein Erinnerungszeichen an ihr Familienmitglied gestalten möchten.
Wir laden alle Angehörigen ein, sich durch individuelle Erinnerungszeichen zu beteiligen.
Machen Sie mit, so wird dies unser gemeinsamer Ort der Verbundenheit!
Kontakt: Uta und Halina Kühl, ort_der_verbundenheit@gmx.de