Berührungspunkte zwischen dem Leben der Filmprojektteilnehmer_innen und dem ihrer (Ur-)Großeltern
Fröhlich begrüßten die Teilnehmer_innen des Filmprojekts „Welcher Film spielt denn hier?“ einander am Morgen des 27. Februars. „Nein, Namensschilder brauchen wir nicht mehr!“ sprach eine Teilnehmerin den Gedanken aller Anwesenden aus als sie die Materialien für die Namensschilder auf dem Tisch entdeckte. Schnell löcherten die Teilnehmer_innen einander noch über die letzten Prüfungen und den neuesten Entwicklungen im Privatleben bevor sie sich ganz darauf konzentrierten, einander ihre Storyboards zu präsentieren, ihre kreativen Ideen zu erläutern und sich gegenseitig Feedback zu geben.
Kreative Ideen
An einem Platz wurde ein Spielzeugauto ausgepackt, am nächsten lagen Püppchen aus Pappe gebastelt und wieder an anderen aufgeklappte Laptops. „Ahs“ und „Ohs“ und „Wie toll ist das denn!“ waren schnell zu hören. Aber auch kritische Nachfragen stellten sie einander. So erkannte eine Teilnehmerin, dass sie im Abschnitt ihres Storyboard über die Vergangenheit ihrer Familie nur die Perspektive der Familie widerspiegelte, aber die historischen Fakten ausgelassen hatte. Eine andere Teilnehmerin bat die Gruppe um Unterstützung dabei, einen Weg zu finden, die Gegensätze zwischen ihrem Verhalten in der Gegenwart und den Taten ihres Großvaters während des Zweiten Weltkriegs darzustellen.

Teilnehmerinnen besprechen ihre kreativen Ideen an Hand eines Storyboards. © KZ-Gedenkstätte Neuengamme 2016.
Erste Begegnungen mit dem Filmprogramm
Am Ende dieses intensiven Austauschs waren alle Teilnehmer_innen bereit, dass Computerprogramm Pinnacle kennenzulernen, das sie für die Erstellung ihrer Filme nutzen werden. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit den Filmideen war das Ausprobieren verschiedener technischer Kniffe eine willkommene Abwechslung. Sie erstellten kleine Probefilme, freuten sich darüber, dass einige Spezialeffekte, die ihnen vorher noch Sorgen gemacht hatten, sich leicht umsetzen ließen und lachten gemeinsam über kleine Malheure beim Umgang mit der Software.
Interviews mit Nachkommen von Verfolgten
Für einen Teil der Gruppe stand nach dem Mittagessen schon eins der Highlights des Wochenendes an. Sie waren verabredet für ein Interview per Skype mit einer Enkeltochter eines Überlebenden des KZ Neuengamme, die seit mehreren Jahren zur Geschichte ihres Großvaters forscht und auch Vorträge hält. Nach einer Stunde kam die Interviewgruppe vor Begeisterung strahlend in den Seminarraum zurück. Die Eindrücke vom Interview mit Victoria Evers, die Enkeltochter von Tadeusz Witkowski, sprudelten nur so aus ihnen hervor. Auf ihre Notizen mussten sie gar nicht schauen, so anschaulich hatte Victoria Evers ihnen von ihren ersten Nachfragen als kleines Kind, den Ausflüchten ihres Großvaters, um sie zu beschützen, und dem Beginn der Auseinandersetzung in der Familie durch ihre Recherchen erzählt. Der Bericht der Interviewgruppe endete mit der freudigen Feststellung: „Und sie kommt auch zum Forum_Programm.“
Am folgenden Morgen überschlugen sich die Stimmen einiger Teilnehmer_innen, die sich schon vor Seminarbeginn getroffen hatten. In wenigen Stunden sollten auch sie ein Interview mit einem Nachkommen eines ehemaligen KZ-Häftlings führen, nur dieses Mal auf Englisch. Als es endlich so weit war, den Skype-Anruf zu tätigen, saßen die Fünf vorne auf ihren Stühlen, die sie so arrangiert hatten, dass ihr Interview-Partner Tom Devos, Urenkel des im KZ Neuengamme ermordeten belgischen Häftlings Evrard Cauwbergs, sie auch alle sehen konnte.

Teilnehmerinnen beim Interview mit Tom Devos.© KZ-Gedenkstätte Neuengamme 2016.
So aufgeregt die Gruppe vor Beginn des Interviews gewesen war, so entspannt kamen sie nach über einer Stunde zurück zur restlichen Gruppe. Tom Devos hatte so offen mit ihnen über seine Familiengeschichte gesprochen, dass sie sich im weiteren Gespräch so wohl gefühlt hatten, dass das Fragenstellen auf Englisch ihnen ganz natürlich vorkam. „Die Pläne für das neue Gedenken in Meensel-Kiezegem sind so cool“, platzte es dann in der Besprechung des Interviews aus einer Teilnehmerin heraus. „Ich würde das schon gerne mal sehen“, pflichtete eine andere ihr bei. Welches Glück, dass Tom Devos sie da schon alle zur Gedenkfeier am 7. August nach Meensel-Kiezegem eingeladen hatte. Diese Herzlichkeit rührte sie sehr und sie freuten sich, zu wissen, dass auch sie eine Person kennengelernt hatten, deren Plan es ist, am Forum „Zukunft der Erinnerung“ teilzunehmen.
Auch Urkunden erzählen Geschichten
Aber sie lernten an diesem Tag noch eine weitere Person kennen, die sie auch auf dem Forum „Zukunft der Erinnerung“ wiedersehen werden. Barbara Hartje, Vorsitzende des Freundeskreises der KZ-Gedenkstätte, stieß am Nachmittag zu der Gruppe, um ihnen ein wenig über die Rolle und die Arbeit des Freundeskreises, aber auch über ihre eigene Familiengeschichte zu erzählen. Die Unterlagen und Gegenstände aus dem Besitz ihres Großvaters und ihrer Eltern verdeutlichten, wie das Nazi-Regime alle Bereiche des Lebens der Menschen in Deutschland zu dieser Zeit durchdrungen hatte.

Barbara Hartje zeigt Unterlagen aus dem Nachlass ihres Großvaters. © KZ-Gedenkstätte Neuengamme 2016.
Unterstützung beim kreativen Arbeiten
All diese Gespräche und die kreativen Arbeitsphasen dazwischen ließen auch den zweiten Seminartag verfliegen. Zum Abschluss wurden noch schnell Pläne geschlossen, wie die Teilnehmer_innen in den nächsten Wochen ihre Filme voranbringen könnten. Getragen vom Hochgefühl der beiden Seminartage versprachen sie einander, sich in den Wochen bis zum letzten Filmwochenende am 9./10. April regel-mäßig Feedback zu geben, einander bei Schwierigkeiten zu helfen und ihre Filme weitestgehend fertigzustellen, damit sie sich im April ganz der Produktion des gemeinsamen Films widmen können.