Können wir uns noch mal meine Biographiemappe anschauen?
Wir sind in der Hauptausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Die Dame, die diese Frage stellt, ist eine Überlebende eines der Außenlager des KZ Neuengamme. Es ist Anfang Mai 2014. In wenigen Tagen findet in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme die Gedenkfeier anlässlich des 69. Jahrestags des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager statt. Einige ehemalige Häftlinge sind schon früher nach Hamburg gekommen. Sie sind der Einladung zur Mehrgenerationenbegegnung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme gefolgt, um sich gemeinsam mit Kindern, Enkeln und Großenkeln ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme und seiner Außenlager sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte, Schülerinnen und Schülern aus Hamburg und Interessierten über den Umgang mit der Erfahrung der Verfolgung in ihren Familien, die Erinnerungskultur in ihren Heimatländern sowie Formen zukünftigen Erinnerns auszutauschen.

Mehrgenerationenbegegnung 2014. © Mark Mühlhaus, attenzione photographers 2014
Die Jugendlichen, die der Überlebenden zu ihrer Biographiemappe folgen, werden spätersagen, dass es ein ganz besonderes Erlebnis für sie war. Auf dem Umschlag der roten Mappe klebt ein schwarz-weiß Foto von einer schüchtern lächelnden jungen Frau. Es zeigt die ältere Dame wenige Monate nach ihrer Befreiung. Sie beginnt sofort damit, den Jugendlichen von Zwangsarbeit und KZ-Haft in Deutschland zu erzählen, berichtet von Hunger und Kälte, aber auch von Gesten der Menschlichkeit.
Neben der Mappe mit der Biographie dieser Dame befindet sich eine Auswahl weiterer Lebensgeschichten ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme und seiner Außenlager in der Hauptausstellung der Gedenkstätte. Es sind sowohl Geschichten derer, die die Zeit im KZ nicht überlebten, als auch jener, die ihre eigene Geschichte nach der Befreiung erzählen konnten.
Viele Angehörige von Überlebenden, deren Lebens-geschichten nicht in dieser Auswahl an Biographien vertreten sind, wünschen sich – so auch während der Mehrgenerationenbegegnung – dass ihre Verwandten, in der Gedenkstätte zumindest namentlich erwähnt werden.
Die Bitte, diesem Wunsch nachzukommen, war Ausgangspunkt für den Workshop „Ideen für die Sichtbarmachung der Namen von Überlebenden an einem Ort in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme“ im Rahmen des Forums „Zukunft der Erinnerung“ in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme vom 5. bis 6. Mai 2015.