Das Thema ‚Displaced Persons (DP)’ ist wenig bekannt in der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Es passt(e) oft nicht in die „einfache“ Geschichtsschreibung, in die gradlinige Erzählung. Das Forschungsfeld DP-Geschichte ermöglicht jedoch einen Blick auf die vielfältige und multiethnische deutsche Geschichte – oder viel besser: Geschichte der Menschen in Deutschland nach 1945. Das Thema lässt sich dabei nicht besonders einfach fassen und auch wenn es in den letzten Jahrzehnten mehr Forschung dazu gab, so existiert in der breiten Mehrheitsgesellschaft kaum Wissen darüber, dass weltweit mit und nach Ende des Zweiten Weltkrieges schätzungsweise 8 bis 12 MILLIONEN Menschen als Displaced Persons zählten. – Zahlenmäßig sind das etwas mehr als dreimal aller heutigen Berliner:innen zusammen.
Von eben diesen DPs verblieben über eine Million Menschen vor allem im deutschsprachigen Raum. Hier besonders in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands und Österreichs. Diese verwaltungstechnisch als DPs kategorisierten Menschen kamen ursprünglich vor allem aus dem östlichen und südöstlichen Europa. Sie hatten unterschiedliche Sprachen, Religionen, Herkünfte, politische Hintergründe und Denkweisen sowie Kriegserfahrungen. Die Gruppe der DPs vereinigte eigentlich nur, dass sie unter der bürokratischen Kategorie der Displaced Persons gefasst wurden – und, dass sie oft über Jahre hinweg (und zum Teil auf Dauer) außerhalb ihrer Herkunftsländer verblieben. Zumeist lebten sie am Rande der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft in Sammelunterkünfte.
Wie hatten Menschen, die als DPs galten, die Zeit im Übergang für sich genutzt? Wie hatten und konnten sie die jeweiligen Mehrheitsgesellschaften trotz oder auch gerade wegen ihres vorrübergehenden Aufenthaltes mitgestalteten? Mich interessieren vor allem deren Handlungs- und Schaffenskraft, im Englischen „agency“ genannt.
Meine Recherchen zum Thema ‚Displaced Persons‘ führt(e) mich an unterschiedliche Orte: nach Deutschland, Österreich, Italien, Polen, England, in die USA, nach Kanada und zuletzt auch nach Australien. Auf meinem Blog „Mit Geschichte(n) um die Welt“ trage ich meine Erlebnisse und Erkenntnisse auf persönliche Art und Weise zusammen. Ein besonderer Schwerpunkt waren dabei Begegnungen mit Nachkommen von DPs. Auch der nachfolgende Text erschien zuerst auf „MitGeschichte(n)umdieWelt“.
„Nun, ich sag das jetzt mal ganz frei: meine Eltern mochten keine Juden.“ Selten habe ich das jemanden so direkt im Zusammenhang mit meinen Recherchen sagen hören. Oft bemerke ich eher, dass (nicht-jüdische) Leute das Wort „jüdisch“ oder „Juden“ nicht einmal in den Mund nehmen oder dann eher flüstern. Das Thema scheint unangenehm zu sein. Bei manchen ist es offensichtlich, dass sie dieses Wort meiden und umgehen. Man stellt mich jemanden vor, oft mit Begeisterung: „Das ist Sarah aus Deutschland“. Und explizit wird über jede DP-Gruppe berichtet, zu der ich arbeite und die mit meinem Thema DP-Camp Flossenbürg etwas zu tun hat – aber jüdische DPs werden eben nicht angefügt. Auch fehlt in meiner Vorstellung, dass ich derzeit am Jüdischen Museum in Sydney bin. Ich bemerke das und lass es einmal so stehen, denke aber: „Spannend. Schon wieder.“
Es ist 12 Uhr und ich bin verabredet in einem hippen Café in einem Arbeitergebiet in einer australischen Großstadt. Die Gäste sind mehr als unterschiedlich. Dieser Ort bringt wohl alle zusammen, Menschen in Anzug bis Handwerker in Latzhosen, junge Mütter mit ihren Babys, Studierende, Rentner und Rentnerinnen. Es riecht überall nach Pancakes, Pfannkuchen, denn dafür ist dieses Café offensichtlich bekannt und beliebt. Mir gegenüber sitzt ein Mann Ende 70, Australier, das sagt sein Pass. Seinen richtigen Namen möchte ich nicht verwenden; nennen wir ihn daher einfach Falk. Er ist Wissenschaftler, hat an Unis gearbeitet, das sagt sein Lebenslauf. Im Herzen sei er aber klar seiner nationalen Community zugehörig. Er engagiert sich darin stark und das seit Jahrzehnten. Deren Kulturzentrum ist gleich um die Ecke.
Seine Mutter, so berichtet er, sei ohne Frage eine Nationalistin gewesen: Religion, Nation, Familie. Das seien die drei wichtigsten Dinge in ihrem Leben gewesen und so sei er auch erzogen worden. Zwar stammte seine Mutter selbst aus einer ethnisch gemischten Familie, doch sie habe sich klar für eine Seite entschieden, ohne Wenn und Aber. Bei unserem dritten Gespräch berichtet mir Falk, dass sein Vater in der Wlassow-Armee gekämpft hat. Die Wlassow-Armee, die sogenannte russische Befreiungsarmee, hatte im Zweiten Weltkrieg an der Seite der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion gekämpft. Was diese Einheit war, wofür oder besser wogegen sie gekämpft hat, ist bis heute ein heißes Eisen. Für die einen sind sie ganz klar und absolut Nazi-Kollaborateure und Kriegsverbrecher. In der (ehemaligen) Sowjetunion wurden die Wlassow-Leute als Verräter betitelt, als solche gelten sie auch bis heute in Putins Russland. Andere wollen in der Wlassow-Armee Freiheitskämpfer sehen: in dieser Perspektive seien sie Antikommunisten, die zwar (vielleicht) auf der falschen Seite gekämpft hätten, an der der deutschen Nazis, aber eben doch für etwas Wichtigeres eingestanden seien – nämlich gegen die Sowjetunion. Der Zweck heilige die Mittel – und so eben auch die Zusammenarbeit mit NS-Deutschland, so die Erzählung. Für andere, wie für Falk, ist es viel komplizierter. Was Kollaboration ist und sei, ist für ihn auch eine Frage der Perspektive. Bevor sein Vater die Seiten wechselte, sei er in der Roten Armee gewesen, hatte im sowjetischen Krieg gegen Finnland gekämpft, bekam mehrere Auszeichnungen. Später kämpfte er als Sowjetsoldat gegen die deutschen Besatzer. Irgendwann, vermutlich 1942, vermutlich irgendwo in der Ostukraine oder in Russland kam er in deutsche Kriegsgefangenschaft. Irgendwie und irgendwann kam Falks Vater nach Rumänien, dann irgendwie und irgendwann nach Deutschland und 1944 nach Cham in die Oberpfalz. Dort arbeitete er in einer Molkerei. Vielleicht, wenn die wenigen Dokumente, die es gibt, denn stimmen. Die könnten aber auch gefälscht sein, das ist sogar wahrscheinlich. Wo, wie und wann Falks Vater zur Wlassow-Armee gekommen war, ist nicht ganz klar. Dokumentation dazu gäbe es nicht mehr. „Mein Vater war sehr diskret.“ Belastendes Material, Dokumente, Fotos sind kaum vorhanden. Alles, was Falks Vater hätte schaden können, habe er verbrannt. Falk erinnere mehrere solcher Dokumentenverbrennungen, auch in Australien. Das hätten eben viele gemacht, sagt Falk. So hätten Leute Besatzungen und wechselnde Regime überlebt. Spuren verwischen war allgemeine Praxis, gerade im östlichen Europa.
Das Einzige, was Falk weiß, ist, dass sein Vater nach der Gefangenschaft als Rotarmist eigentlich in einer anderen deutschen Einheit kämpfen wollte – es gab schätzungsweise weit über eine Millionen Sowjets, die mit den deutschen Truppen zusammenarbeiteten. Eigentlich habe Falks Vater in einer Waffen-SS-Einheit kämpfen wollen, doch das habe irgendwie nicht geklappt. Falks Vater war zu weit östlich geboren und somit kam er in die „russische Befreiungsarmee“. Als Russe habe sich sein Vater aber eher nicht verstanden, so Falk. Ob sein Vater so versuchte, nur aus der deutschen Kriegsgefangenschaft zu kommen, oder sich wirklich freiwillig meldete, lässt sich nicht mehr sagen. Außerdem fragt Falk – ohne eine Antwort von mir zu erwarten – „Wie freiwillig kann sowas schon gewesen sein?“ Über drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene sind in deutscher „Gewahrsam“ elendig umgekommen, verhungert, erfroren. Das Kämpfen auf Seiten der Deutschen sei eine Möglichkeit gewesen da rauszukommen, sagt Falk. Außerdem habe niemand wissen können, wie der Krieg ausgehen würde.
Da sein Vater militärische Vorerfahrungen und Auszeichnungen hatte, habe er in der Wlassow-Armee eine höhere Position übernommen. Ein Kriegsverbrecher oder Kollaborateur sei sein Vater jedoch nicht, so Falk. Er habe eben für seinen eigenen Staat gekämpft und – in Falks Einschätzung – da sein Vater eher im Führungsstab der Wlassow-Armee gewesen sei, habe sein Vater an der Front mit den Deutschen selbst nicht recht gekämpft, er habe eher im Hintergrund agiert. An Kollaboration, Kriegsverbrechen, an diesen „nasty things“, diesen „hässlichen Dingen“ sei sein Vater nicht beteiligt gewesen, sagt er. Für Falk sei Organisieren etwas anderes als Schießen.
Mit der Befreiung kam ein großes Schweigen.
Im Alter von ungefähr zwanzig Jahren fragte Falk mehr und brachte seinen Vater auch zum Sprechen. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Nazis behielt Falks Vater jedoch lange lieber für sich, ebenfalls und vor allem später in Australien. Aber auch seine Zeit als Soldat in der Roten Armee war kein großes Thema. Lange Zeit war in Australien das Feindbild Kommunist wesentlich stärker als das des Nazis oder Nazi-Kollaborateurs. Schweigen und nach vorn schauen, nicht zurück. Anderer Kontinent, andere Zeit, Vergessenwollen.
Da sitze ich also, in einem Café im Februar 2024 im australischen Sommer. Dies ist nun mein drittes Treffen mit Falk und heute geht es explizit um seine Familiengeschichte. Aber noch einmal von vorn: beim ersten Treffen ging es nur darum, dass ich einen Fuß in diese Community bekomme und mögliche Gesprächspartner oder -partnerinnen finde. Irgendwas sagte mir, dass ich es nicht nur in der einen ostmitteleuropäischen Bubble versuchen sollte, sondern auch in den anderen. Alle Gruppen, Polen, Ukrainer, Esten, Letten, Litauer usw. beteuerten, dass sie vielleicht heute in Kontakt stehen würden und sich ab und an unterstützen, doch dass dies früher sicher nicht so gewesen sei. Die gegenseitigen Abneigungen und Spannungen seien zu hoch gewesen, gerade auf Seiten der jeweiligen Eliten.
„OK“, sagte ich, „Verstehe“.
Und gab mich damit nicht zufrieden. „Mit wem könnte ich denn bei „den anderen“ sprechen?“
Stutzen auf der anderen Seite, leichtes Grinsen. „Na, vielleicht mit xy. Ich rufe ihn mal an.“
Nach Vermittlung saß ich ein paar Tage später Falk gegenüber. Zunächst war die Gesprächsatmosphäre eher kühl. Mein Gegenüber war abgelenkt, teils unaufmerksam, immer wieder am Telefon. Ich hatte das Gefühl, mir sollte klar signalisiert werden, dass ich unwichtig bin.
Wenn Skepsis und Misstrauen greifbar wären, da waren sie; mit am Tisch, zwischen mir und Falk bei Treffen Nr. 1. Ich fing also an bewusst mehr von mir zu erzählen. Dass ich viel und lange im östlichen Europa war, nicht nur eines der Länder kenne, mich mit den Sprachen abmühe, was ich sonst so tue und gemacht habe. Alles wurde zur Kenntnis genommen, abgenickt, abgewogen. Ich fühlte mich beobachtet, durchleuchtet; in Teilen fühlte sich das sehr unangenehm an.
Irgendwann schaute mich Falk an, runzelte sie Stirn. Ich hatte erzählt, dass meine zweite Fremdsprache in der Schule Russisch war, so nebenbei.
„Warum das?“,
„Na, ich komme aus Ostdeutschland.“
„Also hast du den Kommunismus erlebt?“ Die Frage war keine Frage, eher eine Aussage.
Ich war perplex und meinte, dass ich mit 1989 geboren nicht sagen könne, dass ich davon viel erlebt habe und auch nicht sicher bin, ob man die DDR der 1980er Jahre als wirklich kommunistischen Staat bezeichnen würde. Falk wollte nun von meiner Familie wissen. Wieder dieses Gefühl, des überprüft Werdens. Wie das so gewesen sei, was so erzählt wird. Auf welcher Seite meine Familie stand. Ich überlege und antworte: „Angepasst. Sie würden sagen „unpolitisch“, irgendwie unbeteiligt, denke ich.“ Wieder ein prüfender Blick zu mir.
Er sei antikommunistisch erzogen worden, kennt jedoch nur die Geschichten aus seiner Community und von seinen Eltern und die kannten, wenn überhaupt, nur die Sowjetunion vor dem Zweiten Weltkrieg.
Nach einiger Zeit habe ich das Gefühl, mir sitzt jemand anderes gegenüber. Die Skepsis ist vom Tisch etwas abgerückt.
Das zweite Treffen mit Falk war beim „Senior Club“. Einmal wöchentlich treffen sich die Alten der Community zum Singen, Kartenspielen, Mittagessen, Kaffeetrinken. Falk lud mich dazu ein, meinte, dass viele Leute weit über 90 seien, manche wohl nicht mehr viel sagen könnten, aber fast alle seien in DP-Camps und in Deutschland gewesen, seien dort geboren worden, sind dort zur Schule gegangen. Ich befand mich schnell in einer Traube von älteren Leuten, die mir von ihrem Leben erzählen. Eine ältere Dame weit über 95, fein gekleidet, die weißgrauen Haare gestylt, ein sehr freundliches Lächeln; sie möchte mir Bücher geben, ihre Dokumente. Sie ist mir sehr sympathisch und ich mag sie, ohne sie zu kennen. Ein älterer Herr zählt die deutschen Ortsnamen auf, die er noch kennt, eine andere Frau Orte aus Österreich, die sie noch weiß; einige wollen Deutsch mit mir sprechen. Falk führt einen älteren Mann zu mir, der kurz zuhört, ich glaube sich unwohl fühlt, als ich ihm sage, was ich mache, schweigt, aufsteht und geht. Er blickt beim Herausgehen zurück und meint, er könne schwer hören. Das war seltsam und ich denke, es wäre gerade spannend, mit ihm zu reden. Doch lange nachdenken kann ich darüber nicht, denn die ältere Dame im blauen hübschen Kleid nimmt meine Hand, strahlt mich an und erzählt von ihrer Jugend in Deutschland als Displaced Person. Ein Mann spricht mit mir in seiner Muttersprache. Falk kommt hinzu und fragt fordernd auf Englisch „Do you get it or are you just pretending?“ – „Verstehst du es oder tust du nur so?“ Ich lächle zurück. Challenge accepted, Herausforderung angenommen: und antworte ihm in seiner Sprache. Er schmunzelt.
Nicht ohne, denke ich mir beim Verlassen des Kulturzentrums. Da gäbe es viel zu erforschen, ein Fass ohne Boden und ich bin k.o. Vieles ist nah an meinem Thema, an Flossenbürg oder Regensburg, aber dann doch wieder weit weg. Viele wollen mich wiedersehen und – ich bin ehrlich – ich bin froh sagen zu können, dass ich nicht mehr allzu lang hier vor Ort sein werde und noch nicht weiß, wann ich wieder komme.
Im Nationalarchiv
Einen Tag später sitze ich im Lesesaal des Nationalarchivs und stelle erst hier fest, dass viele Leute, zu denen ich direkt arbeite und zu deren Familien ich auch Kontakt habe, auf dem gleichen Schiff nach Australien waren. Ich hatte die Vermutung, doch keinen Beleg. Ich bin aufgeregt und begeistert, nicht nur zu glauben, sondern zu wissen. Ich gehe die Passagierliste penibel durch.
Wow, den „kenne“ ich, die beiden auch, der Name kommt mir bekannt vor. Auf dem Schiff waren alle möglichen Nationalitäten und Religionen, darunter einige, die zuvor in Bayern waren. Ich bleibe an vielen Namen hängen, prüfe, was ich sonst zu ihnen weiß. Dann ein junges Paar mit einem Nachnamen, der mir irgendetwas sagt. Ich bin mir sicher, dass ich ihn schon einmal gehört, gelesen habe. Doch in meiner Datenbank, kein Treffer. Mh. Woher „kenne“ ich den Namen?
Langes Nachdenken.
Aufschauen.
Versuchen, sich zu fokussieren und im Gedächtnis zu kramen. Woher kenne ich diesen Namen? Wo könnte ich was zu ihnen gefunden haben?
„Das wäre ja verrückt! Schon wieder ein Zufall?!“
Ich schreibe Falk: „Sag mal, hießen deine Eltern so und so mit Vornamen?“
„Yes, Sarah. These are my parents!“ – „Ja, Sarah. Das sind meine Eltern!“
Ich bin baff. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich in über 180.000 DPs, die auf hunderten von Schiffen und in einem Zeitraum von drei, vier Jahren nach Australien kamen, eben Falks Eltern auf dem Schiff „finde“, das für meine Arbeit zentral zu sein scheint? Ich bin perplex, Kopfschütteln.
Ich rufe Falk an. „Ehrlich gesagt, möchte ich am meisten mit dir sprechen, über deine Familie!“ Ok, Falk stimmt zu, ist ebenfalls offensichtlich etwas perplex, nun aber interessiert. „Dann machen wir das!“, sagt er. Irgendwelche Dokumente seien da noch, ein paar Fotos, seine Nichte habe mal zur Familie geforscht.
Wir reden beim dritten Gespräch lang. Ich merke, wie der letzte Rest Skepsis den Raum verlässt, als ich ihm ein paar Zeilen übersetze, die auf einem Dokument sind, das ich vor ein paar Tagen zu seinem Vater gefunden habe. So viel Russisch kann ich dann doch noch, ich bin fast ein bisschen stolz. Falk schaut mich an, ist offensichtlich beeindruckt – und ich bin ehrlich: ich in diesem Moment auch von mir. Mein Gegenüber nimmt einen USB-Stick, kopiert seine Fotos und Dokumente und gibt ihn mir. „Kannst du haben.“ Ich habe auch keine Hemmungen mehr, Dinge offen zu fragen und Falk spricht über seinen Vater in der Wlassow-Armee, dem Nationalismus seiner Eltern und Antisemitismus. Ich teile nicht alle seiner Einschätzungen und Interpretationen, doch höre interessiert zu.
Ich gebe ihm meine Recherchen zu seinen Eltern, er verspricht mir sich weiter umzuhören und zuhause zu schauen, was es noch gibt. Wir verabschieden uns freundlich. Er ist mir gegenüber fast schon herzlich, eine Umarmung, bis bald. Nun möchte auch er die Passagierliste des Schiffs durchgehen und mit seiner Mitgliederkartei des Kulturzentrums abgleichen. „Das mache ich gleich heute Abend. Das ist ja spannend! Dass die sich kannten, hätte ich ja nicht gedacht.“