Das Buch ist als einzigartige Studie zur Verfolgung von sogenannten Asozialen in der NS-Zeit, die von einem Mitglied der betroffenen Familie recherchiert und verfasst wurde, zu verstehen. Zudem sind eine historische Einführung von Walter Rummel und ein einordnendes Nachwort von Klaus J. Becker Teil des Buches.
Die Studie von Alfons L. Ims, in der er vorwiegend die sehr umfangreichen Quellen und Archivfunde sprechen lässt, ist in ihrer Art einzigartig. Der Autor (Jg. 1949), das jüngste Mitglied der betroffenen Familiengeneration, ist in Kaiserslautern auf dem Kalkofen geboren, einem der ältesten heute noch bestehenden Elendsviertel der Bundesrepublik. Dort und auf dem Engelshof, einer kaum besseren prekären Wohngegend, ist er aufgewachsen.
Die erfreulich nüchterne und ausgewogene Darstellung lässt den Leser betroffen zurück. Geschildert wird der unaufhaltsame Abstieg von Philipp Ims, dem Großvater des Autors (Jg. 1868), vom Schneider im Nordpfälzer Bergland zum Hilfs- und Gelegenheitsarbeiter in der aufblühenden Industriestadt Kaiserslautern.
Kaum eine Chance hatte der Sohn Heinrich Ims, Vater des Autors (Jg. 1900). Schon in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Weimarer Republik wird die Familie zum Sozialfall und lebt mit 7 Kindern (ein weiteres stirbt infolge der elenden Verhältnisse als Kleinkind) in einer Behelfswohnung aus Küche und zwei Zimmern auf knapp 42 Quadratmetern auf dem Engelshof.
Wirklich dramatisch aber wird die Lage mit der Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten. Aufgrund ihrer sozialen Situation und früherer politischer Tätigkeit des Vaters werden die Familienmitglieder entsprechend der rassenhygienischen Ideologie und der daraus resultierenden Asozialenpolitik der Nazis als „asoziale Volksschädlinge, moralisch minderwertig und angeboren schwachsinnig” behandelt.
Die Folge: Die Mutter wird zwangssterilisiert und der Familie werden die ohnehin kärglichen staatlichen Sozialleistungen verweigert, da nur „erbtüchtige Volksgenossen“ Anspruch darauf hatten. Die Familie wird vom Engelshof auf den noch schlimmeren Kalkofen zwangsumgesiedelt und die Kinder werden (mit einer Ausnahme) zur Fürsorgeerziehung in die Diakonissenanstalt Speyer eingeliefert. Als „angeboren Schwachsinnige“ sind sie potentielle „Euthanasie“-Opfer und drei von ihnen werden in die Heil- und Pflegeanstalt Frankenthal verlegt, wo sie nur durch die Bombardierung von Frankenthal der Vernichtung in den „Euthanasie“-Anstalten entgehen.
Nach dem frühen Tod der ersten Frau heiratet der Vater erneut und hat zwei weitere Kinder, darunter der Autor. Die neue Ehefrau erfährt mit der Heirat 1944 einen dramatischen sozialen Abstieg und kümmert sich gleichwohl und vordringlich darum, die ihr fremden Kinder des Mannes aus den Heimen zu holen, während der Vater noch 1943 zur Wehrmacht eingezogen wird und sich bis Mitte 1946 in französischer Kriegsgefangenschaft befindet. Ihr Kampf um die Entlassung der Kinder dauert bis Weihnachten 1951. Da kehren die beiden Jüngsten, Zwillingsbrüder, die mit zwei Jahren ins Heim eingeliefert wurden und 1946 in der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster landeten, kurz vor ihrem 15. Geburtstag von ihrem ersten Elternbesuch nicht mehr in die Anstalt zurück. Da ihnen eine Schulbildung verweigert wurde, waren sie „fürsorglich erzogene“ Analphabeten. Die Auswirkungen der „Fürsorgeerziehung” auch der anderen Kinder sind teils dramatisch.
Eingehend wird der Werdegang jedes einzelnen Kindes in den Heimen anhand des umfangreichen dokumentarischen Materials nachvollzogen. Stigmatisierung und Milieuverhaftung eines Teils der Familie haben sich bis heute nicht aufgelöst.
Das Buch ist über den Buchhandel, den Verlag oder, für den Autor am günstigsten, direkt von ihm zu beziehen (über ali@imsystem.de).